Tunesien 1989

Meine erste „wirkliche“ Fernreise. Für die >>Reportage „Tunesien“ in motorrad reisen & sport suchte mein Nachbar Christoph Altmann einen Begleiter. 50,- DM Eigenkapital waren mein Beitrag. Der Rest ging auf Spesen.

Das Hotel Africa in Tunis ist das Ziel unseres ersten Tages, nachdem wir vom Hafen La Goulette auf der welligen Straße in die Stadt gerollt waren.

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In aller Frühe befinden wir uns am nächsten Morgen mit unseren beiden Pressemotorrädern aus dem BMW Fuhrpark bereits auf der Straße nach Kairouan. Die wenigen Häuser am Wegesrand verbergen sich hinter mannshohen Kakteen, die anstelle von Zäunen Kleingetier fernhalten sollen.

Die wenig befahrene Straße folgt den weiten Wellen des Landes. Vor El Fahs kommen wir an den Überresten eines mächtigen Aquädukts vorbei, einer Hinterlassenschaft der Römer, die einst Besatzer Tunesiens waren. Es herrscht kaum Verkehr. Wir begegnen nur ein paar abenteuerlich beladenen Lastwagen, die ihres Weges schwanken, und etlichen „Louages“ – Sammeltaxen vom Typ Peugeot 404 Kombi mit immerhin acht Sitzplätzen.

Kistenstapel mit leeren Flaschen vor einem Haus am Straßenrand: Aha, das muß ein Laden sein. Wir halten an und fragen nach Mineralwasser. Es gibt nur Cola. Auch gut. Ein paar Männer, die unsere Ankunft aus der Ferne beobachtet haben, gesellen sich zu uns, betrachten uns und unsere Motorräder. Man bietet uns Tee in winzigen Gläsern an, der sich als köstlich aromatisch erweist.

Kairouan liegt mitten in der tunesischen Steppe. Dennoch ist der Ort einer der wichtigsten Stätten des Islam. Nach Mekka, Medina und Jerusalem kommt Kairouan gleich an vierter Stelle. Seine Bedeutung verdankt es vor allem dem Vorzug, ein Wallfahrtsort zu sein, und einer Sonderregelung, der zufolge sich ein Moslem nach sieben Kairouan-Pil-gerfahrten Hadschi nennen darf – ein Privileg, das sonst nur Mekka-Reisende genießen.

Der Lagerraum des Hotels dient zugleich als Motorradgarage und steht voll mit Körben, in denen sich Küken drängeln. Sie piepsen aufgeregt, als wir die Motorräder auf die Straße bugsieren. Das Mittagsessen lassen wir wieder mal ausfallen. Es ist zu heiß, um richtig hungrig zu sein. Von barfüßigen, gut aufgelegten Händlern kaufen wir auf dem Markt von Gafsa ein paar Früchte: eine pralle Wassermelone, frische Feigen und saftige Birnen.
Hinter Metlaoui erreichen wir die Ausläufer der Sahara.

Von der Seite bläst ein scharfer Wind, der breite Sandstaubfahnen über die Piste fegt. Zuweilen verdichten sie sich zu einer luftigen Decke, in der der Hinterreifen fast verschwindet. Die Luft ist gelb vom Staub, die Sicht verschlechtert sich immer mehr. Unter mir brummt sonor der Boxermotor. Ich schwitze unter Helm und Jacke. Der Fahrtwind hat nichts Erfrischendes.

200.000 Palmen sind aus einigen Kilometern Entfernung betrachtet nur ein grüner Strich in der Wüstenlandschaft. Mächtig taucht die Oase Tozeur wie eine Fata Morgana aus der staubgelben Luft auf. Wenige Minuten später lassen wir die Maschinen auf der Hauptstraße ausrollen, durch die der Wind Sand und Papier wirbelt.

Der Kuskus vom gestrigen Abendmahl liegt uns noch im Magen, als wir am nächsten Morgen eine kleine Stärkung mit Brot und Dattelmarmelade zu uns nehmen und noch vor dem Morgengrauen aufbrechen. Das Gepäck lassen wir in Tozeur zurück, nur Wasser und die Fotoausrüstung packen wir ein für den ersten Fahrversuch auf unbefestigter Piste. 50 Kilometer scheinen uns gerade recht. Wir wollen nach Tamerza, einer kleinen Oase nahe der algerischen Grenze.

Bald werden wir mutiger und lassen die Motorräder über den harten Boden fliegen. Schwierig wird’s erst, als sich die kleinen Sandzungen zu meterhohen Verwehungen auswachsen. Mit beherztem Anlauf und ordentlich Gas überwinden wir die Hindernisse.
Zurück in Tozeur, heißt es auch schon wieder, Abschied zu nehmen. Bei einem Spaziergang durchs kühle Grün sagen wir der Wüstenstadt ade. Der Abschied fällt schwer, nicht zuletzt, weil wir auch viele Motorradfahrerinnen und -fahrer getroffen haben. Nach Tozeur kommen sie alle, ob sie nun, wie wir, einen kleinen Rundtrip machen oder mit ihren aufgemotzten Maschinen weiter ins nahe Algerien wollen.

Die Fahrt durch die Leere des riesigen Salzsees, des Chott el Jerid, einst eine gefürchtete Piste, ist schon lange nicht mehr gefährlich. Die asphaltierte Straße verläuft kerzengerade, geradewegs auf die Fata Morgana am Horizont zu. Zwischen Kebili und Matmata toben wir uns noch einmal auf einer Piste aus. Wir haben zweifellos Fortschrite gemacht. In Matmata quartieren wir uns in den Höhlen eines abenteuerlichen Hotels ein, die Einheimischen früher als Behausung dienten.

Von hier aus unternehmen wir Ausflüge in die faszinierende Bergwelt, bevor wir uns schließlich auf den Weg zu den Touristenhochburgen am Meer machen. Denn baden kann man in Tunesien auch, Strände gibt es genug. Nur: Lernen, das Land zu verstehen, kann der Fremde dort nicht.

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