Ligurische Grenzkammstraße 1989

Im Rahmen der >>Reisereportage „Grenzgänger“ hatte ich die Gelegenheit, diese wohl bekannteste Schotterpiste in den Seealpen zu befahren.

Christoph, der als freier Journalist für diverse Motorradzeitschriften tätig war, und ich befanden uns auf dem Rückweg von Tunesien. Von dort waren wir nur einen Tag vorher mit der alt bekannten „Habib“ wieder in Genua eingetroffen. Was lag da näher, als auf dem Rückweg nach Deutschland noch dieses „Schmankerl“ mitzunehmen.

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Das Fahren auf Schotter scheint mir immer noch die reizvollste Art zu sein, ein Motorrad zu bewegen. Wir sind auf der Ligurischen Grenzkammstraße, auf der damals schweres Kriegsgerät, Baumaterial für Alpenfestungen und später dann Munition in die Berge geschafft wurde. Nirgendwo sonst in den Alpen existiert ein längeres zusammenhängendes Stück Schotterpiste.

Mit randvollem Tank und ausreichend Brotzeit für den Tag bollern die Motorräder aus dem guten alten Pigna hinaus in die ligurischen Berge. Auch wenn wir uns auf die Schotterpiste freuen – die noch asphaltierte Straße zum ersten Pass, dem Colla di Langan, ist bestens geeignet, sich schon einmal einzugewöhnen. Wenn Eduard Denzel in seiner „Alpen-Bibel“ lakonisch feststellt, dass an ausgesetzten Stellen Randsteine die einzige moralische Absicherung bilden würden, dann irrt er sich: Weder von moralischer noch sonst irgendeiner Absicherung kann die Rede sein. Ohne Übergang fällt der Hang fast senkrecht neben der Straße ab. Blickführung ist das Gebot der Stunde.

Die ersten Ruinen der für die Ewigkeit gebauten Truppenunterkünfte starren aus blinden Fensterhöhlen ins Land. Die Auffahrt zum Passo di Tanarello hat es in sich. Erst rutschen die Räder auf dem glitschigen Boden weg, dann suchen sie sich ihren Weg durch sandige Kurven, um schließlich über kindskopf-große Wackersteine und gewachsene Felsstufen zur Passhöhe hinaufzueiern. „Piste Touristique“ steht auf einem Wegweiser zu lesen – eher ein Warnschild als ein Hinweis auf eine besonders schöne touristische Route.

Diese Variante, die sich wahlweise vom Passo di Collardente rechts über den Colla San Bernardo und die Ortschaft Mónesi umfahren läßt, taugt nicht für Enduro-Anfänger.
Drei Spitzkehren hinter dem Tanarello abwärts, dann noch einen teilweise abgerutschten Weg wieder hinauf, und wir befinden uns auf dem höchsten anfahrbaren Punkt der Kammstraße. Nahe dem Gipfel krönt eine mächtige steinerne Christusfigur den Monte Saccarello.

Wild präsentiert sich die Berglandschaft auf den folgenden 45 Kilometem zum Tenda-Paß. Ohne Abbiegemöglichkeit schlängelt sich die einspurige Piste mal links, mal rechts an schroffen Berghängen hinauf und hinunter. Uns zu Füßen liegt das Tal der Roya, eines windungsreichen Gebirgsbaches, der bei Ventimiglia ins Mittelmeer fließt.

Vom Fort Tabourde aus können wir einen Blick auf die 48 Kehren werfen, die uns bevorstehen, um wieder talwärts zu gelangen. Wie ein nie wollender Lindwurm windet sich die Straße vom Colle di Tenda den Hang hinunter. Schon vom Hinschauen wird einem schwindelig. Kurve um Kurve läuft es besser und schließlich lassen wir im Tal der Roya unsere BMWs ausrollen. Passend zum Charakter eine Grenz-Kammstraße beenden wir den Tag mit einem Café au lait in einem Straßencafé in dem idyllischen Saorge, so wie wir ihn in Pigna mit Cappuccino begonnen haben.

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