Albanien 2011

Mein Ziel war es, möglichst viel offroad zu fahren, die Q „artgerecht“ zu bewegen. Rückblickend war es Leichtsinn, die ein oder andere Passage alleine zu fahren und prompt hatte ich auf dieser Strecke zwei saftige Pannen. Aber der Reihe nach:

Es ist Anfang August und ich habe ein Ticket für die Fähre Rijeka – Split. Bosnien ist schnell passiert und von Albanien trennt mich jetzt nur noch Montenegro. Ich möchte oben im Norden über den kleinen Grenzübergang nach Vermosh.

Keine Lust auf zu viel Text? >> direkt zur Fotogalerie

Durch traumhafte Schluchten und über Pässe windet sich der Weg. Immer wieder passiert man Dörfer, die Häuser weit verstreut an den Hängen. Nur einmal komme ich durch so etwas, wie ein Zentrum. Der Weg führt vorbei am Fußballplatz, ein Spiel ist im Gange, der Hammel am Spieß sollte in 90 Minuten dann auch fertig sein.

Ziel für heute ist Theth. Am Abzweig in Koplik frage nach dem Weg. Dass dieser deutlich besser sein soll als der andere durch das Kir-Tal steht im Reiseführer. Mit Asphalt hatte ich aber nicht gerechnet. In Boga steht vor einer Kuppe ein Reisebus, ich nehme das Gas weg und trete ein paar Meter später voll in die Eisen. Schlagartig ist die perfekte Straße direkt hinter der Kuppe zu Ende, es folgt eine 30 cm hohe Stufe und die Reifen poltern über loses Geröll. Erste und wichtigste Lektion: Grundsätzlich immer mit allem rechnen. Gigantisch ist dafür der Thora-Pass mit seinen 1.660 m Höhe. Eine letzte Rampe geht es steil nach oben, dann kommt ein Hohlweg-artiger Einschnitt und vor einem öffnet sich ein Gebirgspanorama, das fast schon beängstigend schön ist.

Straßen gibt es in Teth nicht, nur Eselspfade. Der ehemalige Sportplatz neben der Schule dient als Camping. Ich frage in der Kneipe daneben, was es kostet – 1,- Euro. Dusche gibt’s nicht, ich kann aber gern den Gartenschlauch benutzen. Am kommenden Morgen lädt mich der Wirt zum Kaffee ein. Dass ich keinen Raki möchte versteht er nicht, schließlich muss ich doch was frühstücken. Wir lachen, er erklärt mir noch den Weg hinüber ins andere Tal und entschuldigt sich dafür, dass diese Strecke etwas schlechter sei.

Es lässt sich auch etwas rustikaler an, Steinstufen, Geröll und ständige Wasserdurchfahrten finden sich gleich hinter Theth. Ganz so schlimm, wie von allen geschildert, wird es aber nicht. Ständig warte ich auf das „dicke Ende“. Es kommt vollkommen unerwartet und hat nichts mit der Strecke zu tun.

Bei einem Fotostop steht die BMW sehr steil auf dem Seitenständer. Ich komme an den Sattel und sie kippt auf die gegenüber liegende Seite. Das Geräusch, als sie gegen die Felswand fällt, klingt aber ganz seltsam. Als ich sie aufrichte, sehe ich eine Pfütze. Das ist kein Benzin – das ist Öl! Tatsächlich hat ein Spitzer Stein ein Loch in den Ventildeckel geschlagen. Das hier oben in den Bergen, 40 km von Shkoder, der nächst größeren Stadt, entfernt.

Irgendwie muss ich das Loch dicht bekommen. Unter dem Deckel baut sich Druck auf und sprüht so ständig einen feinen Ölnebel heraus. Tomm Wolf hatte in Aras einmal erzählt, dass er ein gleiches Problem mit weichgekautem Weißbrot gelöst hat. Nur habe ich nicht nur kein Kaltmetall dabei sondern auch kein Brot. Dafür aber habe ich Glück. Ein uralter DDR-Lkw quält sich den Weg herauf. Ich halte die beiden Insassen an, zeige ihnen mein Problem und frage sie, ob sie etwas Brot dabei haben. Vermutlich denken sie, ich habe einen totalen Dachschaden, jetzt an Essen zu denken, aber sie haben tatsächlich etwas dabei und brechen mir ein Stück ab. Ich kaue, wie ein Weltmeister und klebe mit dem Teigklumpen das Loch zu. Wenn der Ventildeckel später richtig heiß wird, sollte dies den Klumpen hart werden lassen und zumindest bis zu einer Werkstatt halten. Tatsächlich hält das Provisorium bis unten ins Tal und gleich die erste kleine Werkstatt kann mir helfen. Der Mechaniker kratzt so schnell die Brotkruste vom Zylinder und rührt die Paste an, dass ich grad noch schnell die Oberfläche mit etwas Benzin einigermaßen ölfrei machen kann.

Viele Dinge sind in Albanien schwer zu bekommen, unter anderem wohl auch Wegweiser. Das blöde ist, dass auch meine Landkarte derart ungenau ist und ich mich deswegen schon zigmal verfahren hatte. Den Abzweig nach Cerrik verpasse ich irgendwie, lande ungewollt im Falschen Tal und merke das erst 40 km später. Dann sehe ich aber kurz hinter Gramsh eine Brücke über den Fluss hinauf in die Berge. Die Karte verrät mir die Klassifizierung: „Fahrweg“. Irgendwie wird’s schon klappen. In Tunje stelle ich das erste Mal fest, dass ich einen Umweg gefahren bin. Aber wo war da eine Abzweigung? Es geht steil bergan. Sehr viel loses Geröll in steilen Kehren.

Die Reise-Know-how-Karte sagt einwandfrei links, als ich wieder zwei Jungs frage. Nein, meinen sie, ich muss zurück und von der ursprünglichen Strecke rechts abbiegen. Sie sind sich ihrer Sache so sicher, dass ich wende und den Pfad auf die andere Seite des Hügels nehme. Was jetzt kommt, ist der blanke Horror. Erst geht es durch einige Sandmulden leicht bergan. Dann fällt das, was vom Weg noch übrig ist steil bergab. Wasser und Schnee haben diesem Pfad vollkommen den Gar ausgemacht. Links und rechts sind zwei kleine Huckel, dazwischen faustgroßes Geröll. Ab und an Steinstufen und tiefe Auswaschungen. Wenn das hier falsch ist und ich hier wieder rauf muss, dann Mahlzeit.

Noch fast eine Stunde quäle ich mich über diese Eselswege, dann hat mich die Zivilisation wieder. In der ersten Kneipe stürze ich einen halben Liter Wasser auf ex herunter. Es hat locker 35 Grad und ich schwitze unter meiner Endurojacke, wie ein Schwein. Schließlich erreiche ich Berat – und es schüttet aus Eimern. Glück im Unglück, hätte auch da oben im Gebirge sein können.

Ein letztes Mal entscheide ich mich für eine offroad Strecke. Zu verlockend ist die Beschreibung im Reiseführer und spart 60 km. Der Weg führt über Buz. Mitten auf der Strecke ist die Ortsdurchfahrt auf einmal blitz blank asphaltiert. Dort höre ich ein beängstigend lautes Rauschen. Ich halte und sehe, der hintere Reifen ist platt, ein riesen Nagel steckt darin. In meinem Packsack ist eine Dose nagelneuer Reifenpilot, der laut Aussage eines Bikers, den ich in Marokko getroffen habe, das non plus Ultra sein soll. Nach 2 Kilometern ist der Reifen wieder platt. Warum habe ich Depp nicht das Schlauchlos-Reparaturset mitgenommen? Ich könnte mich ohrfeigen.

Irgendwie muss ich mit dem Hinterrad nun die 30 Kilometer runter in das nächste Kaff zu einem Reifenflicker. Von einem Café aus beobachtet eine Männerrunde mein Treiben und einer von ihnen bringt mich mit seinem Pick-up für 20 Euro ins Tal. Erst weigert man sich in der Reifenbude, einen Schlauch in den schlauchlos Reifen zu montieren. Nachdem es aber derart aus den Löchern pfeift, besinnt man sich eines Besseren. Drei Stunden nachdem ich das erste Mal in Buz angekommen bin, verlasse ich es wieder. Es ist fast neun, als ich auf der Dachterrasse des Hotels in Gjirokaster sitze, den Blick auf eines der drei UNESCO Weltkulturerbes Albaniens und hervorragend esse.

Der Nächste Tag gehört allein der Rückfahrt. Die Grenze nach Griechenland passiere ich bei Konispol. Mittags bin ich in Igoumenitsa, bekomme noch ein Ticket für die Fähre heute Abend nach Ancona und bin, wie letztes Jahr, wieder der einzige deutsche Biker auf dem Schiff – und der dreckigste!

>> Zur Fotogalerie Albanien 2011