Naher Osten 1993

Am 28. August 1993 um 2:15 Uhr morgens gibt der Radiowecker das Signal zum Aufbruch. Unser Ziel ist der Tempel von Jerusalem, Petra in Jordanien und die Syrische Wüste, wer könnte da noch schlafen?

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In pechschwarzer Nacht und bei Nieselregen starten wir unsere beiden BMWs. Die “EL Venizelos“ bringt uns von Triest nach Patras. Weiter geht die Kreuzfahrt von Piräus über Zypern nach Israel. 6 Tage nachdem wir in München aufgebrochen waren, betreten wir in Haifa israelischen Boden. Der Stadtautobahn folgen wir in Richtung Akkon, einer alten Kreuzfahrerstadt und seinerzeit eine der letzten „Bastionen“ der Kreuzritter im „Heiligen Land“.

Die nächsten Tage sind gezeichnet von Besuchen der biblischen Städte, wie Nazareth, Bethlehem und Jerusalem. Natürlich sind all diese Orte zwischenzeitlich moderne Großstädte. Jerusalem liegt in den „West Banks“, eine Region, die mit Straßensperren abgeriegelt war und Hauptstadt dreier Weltreligionen. Angesichts der Menschenmassen und der touristischen „Aufbereitung“ vergeht jedoch der Zauber.

In nur wenigen Stunden durchfahren wir am folgenden Tag die Wüste Negev und erreichen Elat am Kopfende des Roten Meeres. Nur wenige Kilometer weiter liegt Aqaba in Jordanien, zum Greifen nahe und dennoch von Israel aus unerreichbar.

Am kommenden Vormittag stehen wir daher vor dem Grenzzaun in Taba. Die Israelis sind gut drauf und man winkt uns schnell weiter. Auf ägyptischer Seite geht es erst zum Zoll, das Carnet abstempeln, anschließend zur Bank, Geld wechseln und zur Versicherung. Für Ägypten bekommen wir eigene, arabische Kennzeichen.

Die Sinai Halbinsel verfügt über die wohl grandioseste Wüstenlandschaft im Nahen Osten. Aus einem Meer aus Sand steigen Berge in unterschiedlichsten Farben auf. Hinter jeder Kurve sind wir aufs Neue verblüfft von der landschaftlichen Schönheit dieser Region.
Eine knappe Woche durchstreifen wir die Region bis uns die Fähre von Nuweiba hinüber nach Aqaba bringen soll. Direkt am Schlagbaum empfängt uns ein Zöllner und geht mit uns die einzelnen Stationen ab. Polizei, Zoll, das Kennzeichen wieder abgeben, usw. An den Menschenschlangen drängelt er sich einfach vorbei und eine Viertelstunde und 5 Dollar Bakschisch später ist die Grenzprozedur für uns erledigt.

Zwei Tage bleiben wir in Aqaba. Genug Zeit, um einen Friseur aufzusuchen und in einem Schreibwarengeschäft einige arabische Aufkleber für unsere Aluboxen zu erstehen. Es handelt sich um Koransprüche, die ich bis heute auf den Koffern habe und die seither etliche Male das Eis zwischen mir als Christen und den Moslems gebrochen haben.
Auf dem „Desert Highway“ geht es aus der Stadt. Kurze Zeit später biegen wir ab ins Wadi Rum und erreichen einen Tag später das absolute Highlight Jordaniens, die sagenhafte Hauptstadt der Nabatäer – Petra.

Zwei Wüstenschlösser und die ehemalige Bastion von Lawrence von Arabien erwarten uns noch auf dem Weg nach Syrien. Qasr Al Kharana, Qasr ´Amra und schließlich Al Azraq ash Shamali. Hier sammelte Lawrence von Arabien einst seine Truppen und vereinte die Stämme Arabiens.

Die Syrer haben es dann abgesehen auf unsere Devisen. Zwangsumtausch 60,- DM für Zoll und Versicherung (2009 sind es 100,- US$). Angesichts des miserablen offiziellen Wechselkurses tauschen wir sonst nur „schwarz“ im Land.Dann erreichen wir Damaskus. Was für ein Name, was für eine Stadt. “Damaskus, Perle am Fuße des Antilibanon”, so steht es in den Reiseberichten des letzten Jahrhunderts, und in der Tat, Damaskus ist von ganz besonderem Reiz. Alkohol ist den Moslems untersagt, dennoch wird in Syrien Bier gebraut. Wir erliegen der Versuchung und betreten die Kaschemme. Um uns herum sitzen die „Gläubigen“ und löten sich sukzessive mit dem Gerstensaft die Birne zu. Die Atmosphäre ist unschön und wir verlassen das Etablissement relativ zügig.

Damaskus ist beeindruckend. In seinen Ausmaßen und vor allem in seiner Ursprünglichkeit. Wir passieren Straßencafés riesigen Ausmaßes mit Männern, ein jeder einen Tee vor sich, das Mundstück der Wasserpfeife in der Hand, mit dem Nachbarn angeregt ins Gespräch vertieft. Unser Weg führt uns zum Bahnhof. Es ist das eine Ende der Hedschasbahn, der Zugverbindung zwischen Damaskus und Bagdad. Die Schalterhalle ist, gleich eines Museums, in makellosem Zustand.

Weiter geht es nach Norden. In Qumayr tanken wir. Ein Mann blickt auf die Aufkleber, die wir in Aqaba gekauft hatten, grinst über das gesamte Gesicht und deutet uns, zu warten. Kurze Zeit später kehrt er zurück mit einem Koran. Begeistert darüber, dass zwei Westeuropäer die Sprüche Mohameds auf ihrer Ausrüstung tragen, überreicht er uns das Präsent. Noch heute hat dieser Koran einen Platz in meinem Bücherregal.

Was Petra für Jordanien, ist – oder besser war – Palmyra für Syrien. Wir sind überwältigt. Durch die Ruinen selbst führt die Hauptstraße. Säulen, tausende von Jahren alt stehen neben dem Asphalt. So beeindruckend Palmyra auch sein mag, so schnell ist es doch besichtigt. Am kommenden Morgen kaufen wir Wasser, etwas zu Essen und machen uns auf in die Syrische Wüste, über Pisten zum Jagdschloss Qasr Al Hir und von dort nach Norden auf die Verbindungsstrasse nach Aleppo.Der Pisteneinstieg ist schlecht zu finden. Wir orientieren uns nach den Angaben in unserem Reiseführer. Von der Hauptstraße in Richtung Dayr az Zawar biegen wir nach gut 75 km ab nach Norden. Stoppen immer wieder, um anhand des Kompasses die Richtung zu überprüfen. Spurenbündel teilen sich wild, was die Orientierung ungemein erschwert. Schließlich stehen wir vor den Mauern mit den beiden markanten Rundtürmen links und rechts des Portals.

Aleppo meiden wir und fahren bis an die Küste nach Latakkia, um von dort nach Norden in die Türkei einzureisen. In Adana betten wir unsere Häupter zur Ruhe um am kommenden Tag eine der beeindruckendsten Regionen der Türkei in Augenschein zu nehmen – Kappadokien. Dort in Görreme haben die Menschen vor tausenden von Jahren, wie in Petra, ganze Städte aus dem Felsen geschlagen. Anamur Kalesi, die größte und am besten erhaltene Kreuzritterburg der Türkei, ist der letzte touristische Agendapunkt, bevor wir nach einigen Tagen den Fährhafen von Marmaris erreichen.

1200 Seemeilen liegen hinter uns, 90 t leichtes Heizöl haben die vier Motoren mit je 4.200 PS verbraucht, als wir in Venedig ankommen. Wir gleiten vorbei am Marcusplatz, sehen den Dogenpalast und rollen kurze Zeit später von Bord. Ab jetzt ist der Rest ein Klacks.

43 Tage waren wir unterwegs, über 7.400 Kilometer durch sieben Länder, und nutzten 4 Schiffspassagen. Sahen Jerusalem, Bethlehem, die Wüste Sinai, die Wadis der Jordanischen Wüste, die Felsenstadt Petra, Damaskus und Palmyra in Syrien, durchquerten Kappadokien und trafen unzählige freundliche, aufgeschlossene und hilfsbereite Menschen. Weder gab es 1993 GPS noch das Internet. Zur Reisevorbereitung dienten Reiseführer, die Orientierung erfolgte mit Karte und Kompass.

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2009 war ich nochmals in Syrien, mit der gleichen, roten GS. Den Reisebericht findet ihr >>hier.