
Bei meinem ersten Besuch in Marokko 1993 bin ich weit gefahren, heute gibt es ein Schiff ab Genua. In 48 Stunden ist man bei den ehemaligen Schmugglern und Mädchenhändlern in Tanger.
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Mein erstes Ziel, Fes erreiche ich kurz nach Mittag des zweiten Tages. Bewaffnet mit Reiseführer, Fotoapparat und Sonnenbrille starte ich das Touristenprogramm. Erst Königspalast, dann die Medina, Fes-el-Bali. Fes verfügt, ausgehend von der Freitagsmoschee ‚Kairaouiyne’ nach Kairo über die älteste Universität der Welt. Dort auf dem Vorplatz sind die Kupferschmiede zugange. Es herrscht ein Höllenlärm. Mit Hämmern der verschiedensten Dimensionen wird auf die Platten eingedroschen. Die Werkstätten sehen aus, als seien sie zusammen mit der Moschee im 8. Jahrhundert errichtet worden. Für mich am spannendsten ist das Gerberviertel.
Um die Gerber und Färber jedoch zu sehen, muss man auf eine der Terrassen.
Gearbeitet wird in zwei Schichten. Vormittags werden die Felle in Säurebecken eingeweicht. Nachmittags wird das Leder wieder und immer wieder in den verschiedenen Becken geschwenkt und gewendet. Die Farbstoffe sind alle natürlichen Ursprungs, heißt es. Die Arbeitsweise auch. Maximal bis zum 50. Lebensjahr halten es die Arbeiter durch. 6 Tage in der Woche, 10 Stunden täglich, dann haben sie alle Rheuma vom ständigen Stehen im Wasser, ob in glühender Sonne oder im Winter im kalten Regen.

Nach dem kulturellen Teil soll nun der landschaftliche folgen. Früh breche ich auf. Heute will ich sie sehen, die Ausläufer der Sahara. Dazwischen hat die Plattentektonik eine kleine Hürde geschoben, den mittleren und den hohen Atlas. Traumhafte, weite Hochebenen, Zedernwälder und tiefe Schluchten, das gesamte Spektrum landschaftlicher Schönheit wird einem auf dieser Strecke offenbart.
In Ar Rachidia oder Errachidia ist Schluss mit Bergluft. Die Wüste beginnt. In Erfoud kommt für mich die Stunde der Wahrheit. Ich tanke voll, kaufe Wasser und suche dann die Abzweigung zur R702 die später zur Piste in Richtung des Erg Chebbi wird. Dort am Rande der Dünen gibt es etliche Unterkünfte, die an 1001 Nacht erinnern.
Zagora muss es heute sein. Das Schild nach Timbuktu ist das Ziel. Das für heute und das der Reise. Doch nicht direkt fahre ich, sondern nehme den Umweg durch die Todra Schlucht hinauf und das Dadès Tal zurück. In Tamtattouchte beginnt die etwa 40 Kilometer lange Verbindungspiste.

Die Passhöhe ist überwunden und ich dachte, das war’s. Die Schotterstrecke senkt sich mehr und mehr bis in ein Tal. Irgendwann gibt es keinen Weg mehr, nur noch das Bachbett. Das Fahren ist der Horror. In Schrittgeschwindigkeit lenke ich die schwer bepackte BMW über Fußball-große Steine. Meist im 2. Gang, an einzelnen Steigungen im ersten schaffe ich so einen Schnitt von 20km/h. Immer wieder fällt der Weg zurück ins Bachbett und geleitet einen durch das lose Geröll. Zwei Stunden später erreiche ich die Hauptstraße bei Msemrir. Selten habe ich mich über Asphalt so gefreut, wie hier. Entschädigt werde ich für die Quälerei mit einer gewaltigen Bergwelt, die der Gorges du Dadès mir präsentiert.
Zagora erreiche ich deutlich später, als geplant. Das Schild „Tombouktu“ wurde versetzt. An der ursprünglichen Stelle steht heute die Bezirksverwaltung. Unscheinbar hat man es gegenüber an die Rückseite des Hotel Palmeraie gestellt. Die Faszination ist weg vom einstigen letzten Wegweiser vor der Wüste, der einem die Richtung wies zur nächsten Oase – Timbuktu, 52 Tage.
In einem weiten Bogen durchquere ich den Antiatlas und möchte nochmals in die Wüste, bevor es endgültig hinauf nach Norden geht. Krasser können die Gegensätze nicht sein. Vormittags keine 20 Meter gerade Straße, nachmittags alle 2 Kilometer eine leichte Kurve. Zudem ist es heute richtig heiß. Das, was die letzten Tage abging war Kindergeburtstag. Peinlich achte ich darauf, dass der Ölstand immer auf max. ist. Der Motor absolviert hier Höchstleistungen. In Tata gönne ich mir ein Hotel mit Klimaanlage. Stunden braucht diese, um den Raum auf unter 30 Grad zu kühlen. An der Straße steht ein Thermometer, 47 Grad zeigt es noch abends. Wie heiß mag es dort draußen gewesen sein?

Gerade heute, bin ich nicht fit, denn heute steht eine besondere Etappe bevor. Von Tata quer durch den ganzen Atlas über den Tizi-n-Test hinauf bis Marrakech. 400 km nur Passstraße. Dafür fährt Marokko zum Abschluss nochmals alles auf, was es zu bieten hat. Angefangen von der einsamen Wüstenpiste im Süden, durch schmale Canyons über Straßen, die sich an den Hängen langsam höher und höher schrauben. 120 km kurvenreiche Strecke steht am Fuße des Test, als „gefährliche Strecke“ ist sie in der Michelin Karte eingezeichnet.
Nach Fes ist Marrakech nicht mehr wirklich beeindruckend. Hier habe ich jedoch die Möglichkeit, früh morgens den Färbern zuzusehen und muss natürlich auch nicht lange warten, bis mir ein selbsternannter Führer seine Dienste anbietet. Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, dass es keine andere Möglichkeit gibt Leder zu gerben und zu färben, als unter diesen unmenschlichen Bedingungen von Hand.

Am frühen Vormittag verlasse ich Marrakech. Der interessanteste Teil der Reise liegt hinter mir. Zurück führt mich die Straße wieder hinauf nach Tanger, wo ich 2 Tage später die Fähre nach besteige.
