Der 65. Tag

Verpackungskünstler und Buttertee aus der Plastiktüte.

Um halb zwei sollte ich bei Madaan Motors sein, um dann zu dem kleinen Lagerhaus zu fahren und das Motorrad zu verpacken. Meine frisch installierte Uber App funktioniert in Indien natürlich nicht und bis ich hier in der kleinen Unterkunft endlich jemanden erwische, der Englisch kann und mir so eine Karre bestellt, ist eine habe Stunde schon mal rum.

Dass es in bestimmten Ländern einfach keine „normalen“ Taxis gibt ist schon eigenartig. Die einzigen Dinger, die man als so etwas erkennt, sind diese Tuk-tuks und die sind für längere Strecken alles andere als geeignet.

Also starten wir halt erst um 2 mit der Verpackungs-Aktion. Schließlich sind wir in Indien und da ist es sowas von egal, wenn einer zu spät kommt. Da ist man ja schon froh, wenn er überhaupt kommt.

Vorort geht dann alles überraschend flott und routiniert von der Hand. Der Schreiner hat die Bodenplatte, Wände und Deckel bereits vorbereitet. Ich stelle die BMW auf den Boden der Kiste, baue das Vorderrad aus und gemeinsam heben wir sie vom Hauptständer, dass sie vorne auf den Gabelholmen steht. Dann wird sie mit Holzklötzen verkeilt und einzelnen Planken stabilisiert. Die Aluboxen kommen hinten unter den Auspuff, das Vorderrad rechts neben das Hinterrad und die beiden Taschen vor den Motor. Abschließend noch Luftpolsterfolie, Wellpappe und schließlich Stretch Folie. Dann die Wände dran, Deckel drauf – fertig. Zur Belohnung gab’s einen Tee, den jemand in einer Plastiktüte bringt.

Um vier war ich wieder im Hotel und vorher sogar noch Einkaufen. Eigentlich wollte ich was essen gehen aber der kleine Shop auf dem Weg hat gerade Pause gemacht. Also gibt’s heute mal Indische Fertignahrung.

Der Knaller dann, als ich ins Hotel komme. Mein Schlüssel fehlt am Board, also geh ich so rauf und sehe, dass meine Tür offen ist. Die beiden Jungs, die mich um 12 gefragt hatten, ob sie das Zimmer putzen können und denen ich gesagt hab, dass ich eh gleich weg bin, haben es in den vier Stunden nicht geschafft sondern sitzen stattdessen auf dem Boden und schaun sich auf dem Handy Videos an. Jetzt wollen sie mit dem „Now cleaning room, Mr.“ anfangen Mir ist das ja vollkommen wurscht, ob sie mir die Kopfkissen aufschütteln. Ich kann einfach nur den Kopf schütteln und schmeiße sie aus dem Zimmer. Ich will jetzt echt meine Ruhe und brauche keine ewig „sorry Mr.“ labernden Inder um mich rum.

Die BMW geht morgen bereits zum Zoll und kommt dann in Delhi noch in einen Container, der versiegelt wird. Das macht Madaan immer so, weil sie dann das Verstauen im Container überwachen können. Nicht, dass einer ne Harley oben auf meine Kiste stellt und die dann zam bricht. Anschließend geht’s per Lkw nach Mumbai und dann auf’s Schiff nach Hamburg.

Tja Leute, das war es dann endgültig mit der Reise. Ich habe jetzt noch 3 Tage hier in Delhi bis ich in den Flieger steige. Einmal muss ich noch zu Arun, um zu zahlen. Die genauen Kosten weiß er erst nach dem Zoll. Max. 900,- € sagte er mir.

Und ich bin froh, dass ich das Hotel gewechselt habe. Soweit in Delhi überhaupt möglich ist das hier eine ruhigere Ecke und ich sehe sogar auf einen kleinen Park. Das ist auch dringend nötig. Bis vor zwei Tagen war ich jeden Tag unter Strom.

Ich muss daran denken, wie ich im Winter angefangen habe, diese Reise konkret zu planen. 1000 Hindernisse hat es gegeben. Geschlossene Grenzen, der Ukraine Krieg, Einladungsschreiben für Visa aus Ländern, in denen man keinen Menschen kennt (Pakistan und v.a. Afghanistan) und was weiß ich noch alles.
Dann die Entscheidung, mit der alten Gummikuh zu fahren. In einem der ersten Videos sage ich, dass ich so wenig wie möglich auffallen möchte und deswegen nicht mit der 1200er Trophy-GS fahre. Gelächter!!! Ich war der Publikumsmagnet in so ziemlich allen Ländern jenseits von Österreich.

Dann dieses Gepäck. Ursprünglich wollte ich ohne Ersatzreifen fahren, dann schleppe ich sogar zwei mit. Bei der ersten Schotterpassage in Slowenien habe ich gedacht, mich haut es gleich auf die Schnauze, bis ich das neue Wilbers Federbein endlich so eingestellt hatte, dass man mit der Kiste auch Off-road fahren konnte.

Dann fliege ich die Drohne rückwärts gegen eine Felswand und kaufe mir im Mediamarkt (!) in Erzurum eine neue. Auch das schlechte Wetter am Anfang, das dann auf der Seidenstraße von Temperaturen über 45 Grad abgelöst wurde.

In Georgien gibt meine Thermarest Isomatte den Geist auf und ich suche in Tiflis eine neue.

Russland, als mich die Leute am Straßenrand zum Essen eingeladen haben. Die Hitze in Kasachstan im Ustyurt Plateau, die absoluten Scheiß-Straßen in Usbekistan und dann der erste Highway in Tadschikistan.

Den Pamir Highway fahre ich nur mit Sonnenbrille, weil mir der Foppel am Visier abgebrochen ist und auf dem über 4000 m hohen Khargush Pass war ich kurz vor dem Heulen, weil ich nicht mehr wusste, wie ich diese Piste fahren sollte, ohne dass mir alles auseinander fällt. Die Reifenpanne am AdW in Murgab, als ich das Ding einfach nicht mehr dicht bekommen habe und durch Glück einen uralten Schlappen im Bike-House Duschanbe bekommen hab. Einer der teuersten Reifen meines Lebens übrigens.

Dann Afghanistan. Am ersten Abend wurde ich von den Taliban und dem „Polizeichef“ im Hotelzimmer „interviewt“. Und genau der hat mir bei einer der letzten Kontrollen in Dschalalabad den Hintern gerettet. Sonst hätten sie mich vermutlich mitgenommen und in einer ihrer Burgen verhört. Er hat mich übrigens in Pakistan dann nochmal über WhatsApp angerufen und mir versichert, dass ich ewig in seinem Gedächtnis bleiben werde.

In Pakistan haben dann die Erdrutsche angefangen doch ich hatte Glück und bin immer irgendwie durchgekommen. Erst auf dem Karakorum und später in Indien auf dem Manali-Leh Highway. Den hatte ich schon abgeschrieben und schließlich hat es doch geklappt. Drei Mal war ich über 5.000 Meter.

Was immer und überall funktioniert hat, war die alte Gummikuh. 16.500 km habe ich weder einen Ölwechsel gemacht noch den vollkommen verdreckten Luftfilter ausgetauscht. Bei über 45 Grad im Schatten habe ich den luftgekühlten Motor im Standgas über das Ustyurt Plateau gefahren. Im Monsun Regen ist er ohne Mucken gelaufen und selbst die dünne Luft im Himalaya hat ihm kaum was ausgemacht.

Zwei Mal hab ich die Vergaser gereinigt und 3x die Ventile eingestellt. 2,5 Liter Öl hat sie gebraucht und der siffende Wellendichtring an der Gabel hat sich irgendwie von selbst geheilt. Wenn das nicht unstoppable ist, weiß ich nicht mehr.

Das war vermutlich mein letzter Bericht hier. Evtl. reiche ich nochmal einen nach, wenn die BMW wieder zu Hause in der Garage steht. Mal sehen.

Vielen Dank Euch allen für’s Mitreisen und für die lieben und aufmunternden Kommentare hier, auf Facebook und YouTube. Es hat gut getan diese zu lesen.

Der war’s … der rechte

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Kommentare

7 Antworten zu „Der 65. Tag“

  1. Avatar von Ecker Ingrid
    Ecker Ingrid

    „Done!“

    Thomas,
    bei all den Ereignissen, Überraschungen und Strapazen …. war doch eine gelungene Reise. Und das wichtigste: keine Unfälle und Du bist gesund ans Ziel gekommen. Einfach top 🔝! Da kannst Du schon mal noch in einen Tempel gehen und Dich bedanken – bei wem auch immer 🙏🏻.

    Komm gut nach Hause ✈️.

    Liebe Grüße, Ingrid

    1. Avatar von Thomas

      Das stimmt, danke Dir Ingrid!

  2. Avatar von Gernot Groder
    Gernot Groder

    ..da stöbert man im Winter ein wenig im YouTube, sieht den Adventurous Archie in Kabul rumlaufen und denkt sich „das mach ich auch….“ 😊

    Was du da gemacht hast – 👌 TOP 👌

    Vielen Dank, dass du uns mitgenommen hast!!

  3. Avatar von Gregor Wolf
    Gregor Wolf

    Lieber Thomas,

    wow, einfach grandios! Danke, dass wir Dich begleiten durften, von der Planung und der Vorbereitung bis zum Start der Reise mit der täglichen Dosis Fernweh und all den eindrucksvollen und imposanten Bildern via Facebook und YouTube.

    Well done & komm‘ gesund nach Hause 🙂

    LG, Gregor

    1. Avatar von Thomas

      Danke Dir, Gregor!

  4. Avatar von RENATE ROEHRIG
    RENATE ROEHRIG

    Lieber Thomas,
    herzlichen Dank für Deine wunderbaren Berichte und Deine besonders herzerfrischenden Kommentare, wenn’s einmal nicht so rosig lief…
    Alles Liebe und Gute und komm gesund nach Hause auf ein baldiges Wiedersehen in Starnberg.
    Renate und Familie (einschl. der Amerikaner)

  5. Avatar von Frank Issing
    Frank Issing

    Hey Thomas,
    wirklich sehr beeindruckend deine Reise und was du alles erlebt hast. Respekt. Danke für die tollen Berichte und Bilder, ich habe gerne , hin und wieder reingeschaut.

    Bald hat dich der Alltag wieder, das wird ’ne heftige Umstellung werden…. 😁

    Gute Rückreise und viele Grüße
    Frank

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