Der 17. Tag

Heute geht es nach Kasachstan.

Gestern hatte ich noch etwas zu Essen gekauft und noch etwa 180 Rubel. Mein Plan für heute sah so aus: Um neun machen die Banken auf, dann gehe ich nochmal 10 USD wechseln, tanke voll und fahre dann an die Grenze. Lt. Google Maps gibt es von dort auf russischer Seite bis Atyrau – das sind knapp 300 km – keine Tankstelle.

Auf der Suche nach einer Bank im Handy sehe ich bei den Öffnungszeiten: „Kann am 12. Juni abweichen.“ Hä?! Ich schaue nach und was ist am 12. Juni, Russischer Nationalfeiertag. Alles hat geschlossen. Das darf nicht wahr sein. Also Planänderung. Die 180 Rubel in Benin wandeln. Zur Grenze fahren, dort Geld wechseln – die ham ja immer auf – und 20 km zurück zur letzten Tankstelle auf russischer Seite. Gesagt getan, also habe jetzt keine Rubel mehr, wozu auch.

Dann komme ich auf dem Weg zur Grenze an einen Fluss mit einer Ponton-Brücke und ratet mal was man dort muss? Genau, Maut zahlen, 70 Rubel. Irre. Die Frau hinter dem Tresen lässt sich nicht erweichen. Da halte ich kurzerhand das nächste Auto an, drücke dem Typen 5 USD in die Hand und sage ihm, er soll für mich mit bezahlen. Macht er auch tatsächlich und fährt mit mir sogar zur nächsten Tanke, wo er mir nochmal für 10 EUR aushilft. Aber lasst Euch gesagt sein, der hat mit dem Geldwechsel das Geschäft seines Lebens gemacht.

An der Grenze frage ich dann, wie weit es denn tatsächlich bis zur nächsten Tankstelle ist, 200 km käme ich ja jetzt. Da meint einer, max. 20 km. Soviel zur Anzeige auf Google, wenn man sich an einem anderen Ort befindet. Ich greife voraus: Die Tankstelle auf kasachischer Seite ist direkt hinter der Grenze und Kreditkarten gehen wieder.

Es ist warm, richtig warm und ich schmore in der Warteschlange vor dem Schlagbaum so vor mich hin. Da winkt mich ein Zöllner vor, ist super freundlich, spricht perfekt englisch, schaut in die Koffer und nach 15 Min. bin ich aus Russland ausgereist. Das war der Point of no return. Mein Visum ist abgestempelt udn ich kann ab jetzt nicht mehr zurück.

Auf kasachischer Seite ähnlich. Alle super nett. Die üblichen Fragen und nach 20 Minuten bin ich auch hier eingereist. „Welcome to Kazakhitan“.

Jetzt muss ich nur noch eine Kfz-Versicherung abschließen, dann kann’s weiter gehen. Da sehe ich den Tschechischen Biker wieder. Der war in Astrachand locker 1,5 Stunden vor mir gefahren. Wieder wurde er von den Russen verhört, musste alles Gepäck zeigen und sogar die Daten auf dem Handy. Schon krass. Die Versicherung hat übrigens Mittagspause, noch 1 Std. Derweil wechsle ich Geld bei Menschen, die auch bequem als Autoschieber Bande durchgehen würde.

Schließlich ist aber alles erledigt, der Tank ist voll und ab jetzt habe ich richtig Zeit. Oder nehme sie mir zumindest. Und die brauche ich auch. Nach etwa 100 km ist die bestens asphaltierte Fernstrasse zu Ende, man wird abgeleitet und ab jetzt fahre ich auf einer Horror-Piste. Total fest, Schalglöcher, Wellblech, Steine, alles ist geboten. Ich denke, gleich zerlegt es mir das Bike. Die Gummi-gelagerte Lampenmaske schöpft die volle Amplitude aus. Dem Motorrad macht das im Grunde nichts, nur habe ich echt Sorge, dass mir die Kofferhalter Brechen mit dem Gewicht, dass da dran hängt.
Nach 20 km kommt ein Schild: 20 km schlechte Fahrbahn und es geht weiter so. Nach diesen 20 km kommt ein Schild, 25 km schlechte Fahrbahn und es geht weiter so. Beim 4. Schild habe ich die Schnauze voll. Ich sehe ein abgewracktes Café, kaufe dort Wasser, Brot und eine Dose Bier und fahre 2 km dahinter rechts von der Piste ab in die Pampa. Es ist topfeben aber egal. Hier ist das üblich. Die nächste Unterkunft kommt in 150 km und es ist 6 Uhr abends.

Also baue ich das Zelt auf, koche leckere „Notfall-China-Instand-Nudeln“ vom Rewe in Stephanskirchen, trinke ein Feierabendbier und schaue in die untergehende Sonne über der Kasachischen Steppe. … in der es LTE Empfang gibt!

Was für ein Tag.


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